Burnout, das ist meine feste Überzeugung, ist mehr als ein Modebegriff. Das Problem mit diesem Begriff ist, dass vielfältige Ursachen und Erscheinungsformen ununterscheidbar darunter zusammengefasst werden. Sie alle kennen die mittlerweile unzähligen Veröffentlichungen zu diesem komplexen Thema.
Für Betroffene ist ein burnout eine Qual, voller tiefer Täler wie depressiven Verstimmungen und Leistungsunfähigkeit. Für Unternehmen ist burnout eine Bedrohung, da oft eigentlich sehr leistungsfähige Mitarbeiter betroffen sind und über eine lange Zeit oder gar immer ersetzt werden müssen.
So unterschiedlich, wie Menschen sind, so unterschiedlich sind auch die Ursachen. Und, das ist meine Meinung, diese Ursachen rühren aus unterschiedlichsten Richtungen.
Da ist zum einen der Mensch, der bereits von seiner Veranlagung her nicht der fröhlichste und zuversichtlichste ist. Das hat es schon immer gegeben und wurde von der Umwelt im Laufe der Zeit mit Sätzen wie: ‚er/sie ist schwermütig, hysterisch o.ä. hinter vorgehaltener Hand anderen zugeflüstert.
Davon zu unterscheiden (wehe, wenn beides zusammenkommt) sind die erworbenen Ursachen.
– Seit den 70er Jahren des letzen Jahrhunderts sind tradierte Werte und Normen der Gesellschaft sukzessive verschwunden und nach wie vor tut sich unsere Gesellschaft schwer neue, durchgängig allgemein akzeptierte neue Normen, Werte und Muster zu etablieren.
Beispiele:
die Rolle der Frau. War sie früher ganz unwidersprochen Ehefrau und Mutter, die ihrem Mann zuhause oder überhaupt den „Rücken freihielt“, muss heute jede Frau einen Beruf erlernen und beruflich tätig sein. „Heute muss jeder was tun“.
Die Frauen- und Männerrolle musste und muss neu definiert werden: gleiches Geld für gleiche Arbeit ist nur eine der Forderungen.
Dem Mann fällt nicht mehr automatisch das letzte Wort zu, wenn es um familiäre oder unternehmerische Entscheidungen geht. – Der Beispiele gibt es so viele!
Dennoch bekommen auch heute noch die Frauen die Kinder; auch die Organisation der Erziehung liegt zumeist in ihren Händen, während viele Männer nach wie vor nur Alibi-Aufgaben hierbei übernehmen.
Dass daraus Mehrfachbelastungen und Konflikte entstehen, ist die vorhersehbare Folge.
– Betrachten wir die Unternehmen. „Unternehmen wollen nicht nur den super Angestellten, Mitarbeiter, nein, sie wollen den ‚ganzen‘ Menschen, sofern sie diesen ‚ganzen‘ Menschen nicht mittlerweile durch Roboter ersetzen. Irgendwie ist das auch eine subtile Drohung nach dem Motto: „und bist Du nicht willig, so ersetzt Dich die KI“.
Auch Mitarbeiter, die nicht akut von der fortschreitenden Technisierung betroffen sind, kämpfen mit Phänomenen wie Unter-/Überforderung, mit hierarchischen Strukturen, mit Grabenkämpfen mit Kollegen, in teams, mit mangelnder Anerkennung ihrer Leistungen, mit immer höher gesetzten Zielen, mit dauernder Anwesenheits- und Beantwortungspflicht auf Mitteilungen in allen möglichen Medien. — Die Liste ist ellenlang ——
So vielfältig die Ursachen für einen Burnout sein können, so vielfältig könn(t)en auch präventive Maßnahmen sein, die vorzunehmen sowohl den Betroffenen selbst, den Unternehmen und dem gesellschaftlichen Umfeld obliegen.
Oberstes Gebot für alle Angesprochenen ist m.E. tatsächlich mit dem ja durchaus gebräuchlichen Begriff der „Achtsamkeit“ um- und beschrieben. Achtsamkeit sollte Grundvoraussetzung in einer immer komplexer werdenden Welt sein. Ein achtsames Beobachten der eigenen Befindlichkeit (ohne zum Hypochonder zu werden), ein achtsames Beobachten seitens der Kollegen, der Vorgesetzten (und das nicht nur während des obligatorischen Jahresgespräches), ebenso das achtsame Auge auf den Wohnungsnachbarn (der in der letzten Zeit so schlecht aussieht und kaum ansprechbar ist).
Nein, ich glaube nicht, dass es – auch wenn die Maßnahmen im einzelnen allesamt ehrenwert sein mögen – damit getan ist, Fitnessräume bereitzustellen, Yoga-Kurse anzubieten, verbessertes Schlaf- oder sonstige Angewohnheiten anzupreisen und, ganz unsäglich, Nachhaltigkeit und Work-Life-Balance hoch auf die Firmenfahnen zu schreiben, ohne diesen Begriffen echte Bedeutung zu geben.
Das ist allenfalls nett, reicht aber beileibe nicht. Nachhaltigkeit bedeutet in erster Linie „Verantwortung für“…..
Warum? wollen die nachrückenden Generationen Y und Z so vieles nicht mehr, was Unternehmen ihnen andienen? Warum? sind sie für Unternehmen so schwer zu packen? – Wohl, weil sie das Elend der daraus entstehenden Folgen bei ihren eigenen Eltern gesehen und miterlebt haben, die schlussendlich vollkommen entnervt und aufgerieben waren, und weil sie anders leben wollen.
Letztlich geht es um den Einzelnen. Um dessen Problematik(en). Und da sollten sich auch die Unternehmen nicht aus der Verantwortung nehmen mit „Trostpflästerchen“. Eine adäquate Betreuung , und das kann ganz vieles und ganz unterschiedliches sein, ist unbequem, kostet im Zweifel auch, setzt vor allem eine humane gelebte Unternehmenskultur voraus und ist dennoch kein Garant, dass die Gefahr von burnout dann für immer vom Tisch ist.
Aber es gibt keine Alternative.
Danke für die Mühe, die Sie gemacht haben, um das alles zusammenzutragen.
MfG Nevresim